Stirbt der Wald oder sterben die Holzstangen-Plantagen?
Hier, im Kulturgarten wild&frei ist nach dem Auslichten von viel zu dicht gewachsenen Hainbuchen festzustellen, dass ein Wettrennen stattfindet unter den kleinen Buchenbabies. Und diversen anderen Winzlingen. Sie keimen sofort, beeilen sich und sprießen, denn es sind so viele, wie das Gras in der Wildwiese. Ein Buchenkind neben dem nächsten (und nicht nur sie, auch Linden, Walnüsse und diverse andere Keimlinge) reckt sich der Sonne entgegen. Alle wollen die Ersten sein, denn ist die Schwester, der Bruder einmal voran, wird es schwierig bis unmöglich nachzukommen. Sie alle strotzen vor Gesundheit. Sie sind wild und frei. Sie freuen sich am Leben hier.
Ja, liebe Leserin, lieber Leser, sie können mir glauben. Das Waldsterben gibt es wahrscheinlich nicht, wenn wir Menschen uns da raushalten. Wirklich, es scheint, als sterben nur diese Holzstangen der Wirtschaft. Diese generalstabsmäßig aufgeforsteten armen Bäumchen. Forstwirtschaft, wie der Name schon sagt. Alle sie wurden vor Jahren planmäßig aufgereiht, um Geld mit ihnen zu verdienen. Holzstangen-Plantagen in militanter Form. Die offizielle Bezeichnung für diese Trostlosigkeiten lautet Wald. Aber sie ist irreführend diese Bezeichnung, absichtlich oder nicht. Vermutlich in erster Linie, weil es wirklichen Wald wohl kaum mehr gibt. Und diese markante Irreführung verleitet uns zu glauben, es gäbe ein Waldsterben. Nein, das (noch) nicht, aber es gibt diese verheerende Baumvernichtung in ungeahntem Ausmaß. Schuld wie immer, wenn ich das hinzufügen darf – wie sooft und bei so vielen Miseren, die Diktatur der Geldwirtschaft. Sie aber hat alle „waldverstehenden“ Bauern, wie auch viele andere naturliebende Menschen, die erkannt haben, dass nicht mit allem Profit zu machen ist, schon seit vielen Jahren existenziell vernichtet. Was uns zu sehen übrig blieb sind folgedessen sogenannte Forstbetriebe. Herzlose Rechner in Kubikmeter Verkaufspreis.
Eine Pflanze nach der anderen, oft in gleicher Sorte. Diese Armen. Diese Entkräfteten, ermatteten, gequälten Kreaturen. Sie sind krank, diese Bäume, diese Gewächse. Ja, sehr krank sogar. Wie ungezählte Tiere und Pflanzen unserer Zeit. Höchstwahrscheinlich – um nicht zu schreiben sicher auch, weil sie dieses unterdrückte Leben nicht mehr aushalten können.
Geht es ihnen in dieser Beziehung wie so manchen unter uns Menschen? Jenen, die das stressige Leben und das druckvolle Arbeiten-müssen in der und für die Wirtschaft nicht mehr ertragen.
Wir verstehen sie kaum oder nur sehr mangelhaft, unsere Mitbewohner, die Bäume. Leider. In erster Linie auch deshalb, weil nur die wenigsten Zeit dafür haben.
Somit sei abschließend gesagt, dass wir es uns hier im Kulturgarten wild und frei zur Aufgabe machen werden, sie zu verstehen. Sie pflegen. Uns ihrer annehmen. Ein bisschen verwöhnen. Ja, das werden wir.